Holzfrevel
Was der Begriff
Holzfrevel für die im 18. Jahrhundert am Geschehen Beteiligten
beinhaltete, wird in Anette von Droste-Hülshoffs „Judenbuche“ sehr
anschaulich beschrieben. Doch wie ist dieser Begriff überhaupt entstanden,
wie ist er in der damaligen Zeit, also historisch zu werten und zu
bewerten?
Besitz am Wald entstand
in Deutschland erst im Verlauf des Mittelalters mit der Einführung der
römischen Rechtsgrundsätze. Vorher war der Wald nach germanischer
Rechtsauffassung Allgemeingut gewesen, das man demnach nicht besitzen
konnte und das allen zur Verfügung stand.
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Im Lehenswesen wurden die
Territorien einschließlich ihrer Wälder durch Vergabe von Lehen in
Grundbesitze aufgeteilt. Davon beanspruchten die jeweiligen Lehensherren
(im Fall der „Judenbuche“ des Fürstbistums Paderborn also ein
Fürstbischof) i.d.R. den größten Teil für sich, nur wenig stand den
einzelnen dörflichen Gemeinschaften (Allmende) zu.
Im Lauf der Jahrhunderte
stand in den herrschaftlichen Wäldern zunächst die höfische Jagd im
Vordergrund allen Interesses seitens der jeweiligen Herren (Zeit des
Absolutismus). Zuwiderhandlungen gegen das herrschaftliche Jagdregal
wurden als Jagdfrevel verfolgt und oft drakonisch bestraft. Derweil
spielten die übrigen Nutzungen aus dem Wald nur eine untergeordnete
Rolle.
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Auf der anderen Seite
konnte der Waldbesitz der Dorfgemeinschaften die Ansprüche einer
wachsenden Bevölkerungszahl schon bald allein nicht mehr befriedigen.
Vielerorts wurde es daher üblich, dass der herrschaftliche Waldbesitz der
ländlichen Bevölkerung bestimmte Nutzungen wie z.B. Lese- und Reiserholz
sammeln, Streunutzung usw. gegen ein gewisses Entgeld gestattete. Die
herrschaftlichen Bediensteten, Jäger bzw. Förster, hatten dieses zu
überwachen und das Geld einzutreiben.
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Während des 18.
Jahrhunderts rückte dann nach und nach auch die Funktion des Waldes als
wichtigster Rohstofflieferant der damaligen Wirtschaft stärker in den
Mittelpunkt. Mit dem Aufkommen zahlreicher frühindustrieller
Verhüttungs- (Metall/Glas), Fabrikations- (Kalk-/Ziegelöfen) und
Manufakturbetriebe (Töpferwaren, Porzellan), oft in herrschaftlichem
Besitz, stieg insbesondere der Bedarf an Brennholz (Klafterholz), aber
auch der Nutzholzbedarf stark an. Dem stand jedoch mittlerweile ein recht
heruntergekommener Zustand der Wälder gegenüber. Die Allmendewälder
waren seit langem übernutzt und ausgeplündert, in den herrschaftlichen
Wäldern sah es insgesamt nicht viel besser aus, da die über Jahrhunderte
hinweg hohen Wildbestände zusammen mit den gestatteten Nutzungen vielfach
das natürliche Aufkommen von Jungwuchs und damit ein ausreichendes
Nachwachsen des Waldes verhindert hatten. Gleichzeitig nahmen ungeregelte
Holznutzungen durch die notleidende Bevölkerung drastisch zu. Unter dem
Eindruck dieser Zustände und der hinzugewonnenen Erkenntnisse bezüglich
einer regulären Bewirtschaftung von Wäldern kam es daher zum Erlass
strengerer gesetzlicher Regelungen (Forstordnungen) zum Schutz und zur
Wiederherstellung des Waldes.
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Änderungen in der
Waldbewirtschaftung wirken sich jedoch typischerweise nur sehr langsam
aus, denn ein Baum braucht schließlich hundert Jahre und mehr, bis er
eine für die Nutzung interessante Stärke erreicht hat. Daher war ein
direkter Nutzen aus den neuen Forstordnungen für viele Menschen zunächst
nicht erkennbar, besonders auf dem Lande wurden sie lediglich als
neuerliche Demonstration obrigkeitlicher Macht empfunden und innerlich
abgelehnt. Da sie gleichzeitig auch einen Großteil der althergebrachten
Forstberechtigungen eingeschränkten oder gar aufhoben, wurde die akute
Notlage der bäuerlichen Bevölkerung, die noch in vielen Lebensbereichen
von den Leistungen des Waldes abhängig war, nicht beseitigt sondern eher
noch verschärft. Vielerorts regte sich daher teils erbitterter Widerstand
gegen die neuen Gesetze, ungenehmigte Holznutzungen setzten sich fort und
wurden von der einfachen Bevölkerung oft stillschweigend mit getragen.
Nun allerdings erfüllten sie den Tatbestand des Diebstahls, Holzfrevel
genannt und wurden von Seiten der Obrigkeit unnachsichtig verfolgt und
geahndet. Diese Aufgabe kam den Förstern zu, die dazu mit zahlreichen
Sonderbefugnissen bis hin zum Waffengebrauch ausgestattet waren und in
erster Linie als eine Art Forstpolizei fungierten. Entsprechend war der
Förster damals der Feind des einfachen Mannes. Am Holzfrevel beteiligten
sich die meisten Bauern und zwar nicht nur die notleidenden, da bei der
allgemein herrschenden Armut Holz eines der wenigen Mittel war, mit denen
man noch Geld verdienen konnte. Die Holzfrevler handelten dabei in der
Überzeugung uralte Rechtstitel (s.o.) auf die Nutzung des Waldes zu
besitzen.
Wie zahlreiche Quellen
belegen, waren die in der „Judenbuche“ für das Dorf B. im Teutoburger
Wald geschilderten Ereignisse zu dieser Zeit und bis etwa zur Mitte des
19. Jahrhunderts, als die Novelle entstand, bei Weitem kein Einzelfall. So
berichtet beispielsweise das "Wormsische Zeitungs- und
Intelligenzmanual" am 24.11.1792, dass im Verlauf einer
kleinkriegs-ähnlichen Schießerei zwischen Förstern
und Holzfrevlern im Limburg-Dürkheimer Wald (Pfalz) 53(!)
Beteiligte zu Tode kamen.
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