Projektidee und Projektdidaktik

Nach dem Modell des Unterrichtsprojektes "Wilhelm Tell in der Schule" gestaltete eine 7. Klasse am Faust-Gymnasium Staufen in einem fächerverbindenden Projekt ein Jugendbuch. Da es sich um eine Zusammenarbeit Deutsch-Geschichte handelte, fiel die Wahl wegen des Bildungsplanes in Geschichte auf ein Buch mit mittelalterlicher Thematik: Auguste Lechners "Parzival". Der Kunstlehrer ließ sich ebenfalls für eine Mitarbeit begeistern, so dass im November und Dezember 2006 insgesamt in 3 Fächern an diesem Projekt gearbeitet wurde. Leitfach war Deutsch.

Hauptmethode im Deutschunterricht war das "Lesetagebuch". Dies brachte wunderbare Anverwandlungen des literarischen Textes hervor. Ausgehend von Leerstellen im literarischen Text erfassen die Leser das literarische Werk rezeptionsästhetisch. Der Reiz dieser Methode liegt im ständigen Perspektivenwechsel. In einer so gestalteten multiperspektivischen Interpretation wird Literatur tiefer verstanden; ihr vom Produzenten (Wolfram v. Eschenbach / Auguste Lechner) eingeschriebener Sinn wird mit der Subjektivität des jugendlichen Lesers verschmolzen. Das Lesetagebuch arbeitet ganzheitlich und bringt auch bildnerische Produkte hervor. Daneben produzierten die Schüler im Kunstunterricht Bilder, die dann eingescannt wurden. Mit den Lesetagebüchern war vielfältiges Material für die elektronische Verarbeitung bereits gegeben.

Diese elektronische Verarbeitung vollzog sich in 5 Doppelstunden Deutsch, bei denen die Klasse geteilt war. Die Deutschlehrerin vertiefte interpretatorische Aspekte und wählte Beiträge aus den Lesetagebüchern zur Computer-Eingabe aus. Der Geschichtslehrer, der auch die Internetseiten mit der Klasse erstellte, ließ die Schüler ihre Beiträge in vorstrukturierte Vorlagen eingeben. Dies geschah im Computerraum (16 Arbeitsplätze) mit dem Html-Editor MS-Frontpage.

Die Schüler hatten die Möglichkeit, neue Produkte als elektronische Datei an den Lehrer zu schicken, der diese dann sofort in die Homepage einarbeitete. Etwa ein Drittel der Schüler machte davon Gebrauch.

Ein wichtiger Tipp für "Nachahmer": Schnell wächst ein solches Projekt dem Projektmanager über den Kopf. Er sollte also unbedingt einen Schüler als "Dateimanager" rechtzeitig einarbeiten. Im vorliegenden Fall haben die Schüler ca. 350 Dateien produziert. Eine wichtige Hilfe im Datendschungel sind Normen für die Vergabe von Dateinamen: So muss jeder Schüler einem sinnigen Dateinamen seine Schülernummer nach Klassenliste voranstellen, so dass die Dateimanager schnell die entsprechenden Schülerarbeiten über die alphabetische Sortierung verwalten können. (Bsp: "17kreuzrit.htm" - Schüler 17, Florian Massing, hat einen Beitrag zu den Kreuzrittern als Htm-Seite gefertigt.) Zur Steigerung der Effektivität kann man die Klasse nicht intensiv genug auf diese Speicherkultur hinweisen. Die Dateimanager haben auch die Aufgabe, immer wieder "Datenschrott" zu löschen.

Geplant war von vorneherein eine doppelte Dokumentation: eine "full"-Version für die Klasse auf CD und eine "light"-Version für das Internet. Die Full-Version ermöglichte auch die Aufnahme großer Dateien (Hörspiel, Film etc.).

Die Endredaktion oblag einem Zweierteam Lehrer/Schüler in den Ferien.

Ab einem gewissen Punkt wird jedes gut organisierte Unterrichtsprojekt zum "Selbstläufer": Immer mehr Schüler bringen eigene Ideen ein und verwirklichen diese - von den Lehrern, die die Machbarkeit im Auge haben, beraten, angespornt oder gebremst. Besonders beliebt waren dabei Nacherzählungen, Rätsel, Innere Monologe, Charakteristiken. Die Schüler produzierten auch Gedichte und Hörspiele. Viel Arbeit wurde dabei in die (selbstgestellte) Hausaufgabe verlagert. Einige  Schüler erstellten Comics und Akrosticha.

Nach allgemeinen Anregungen konnten die Schüler zunächst frei ihre Lesetagebuch-Einträge wählen. Dabei fällt eine stark dem Narrativen verhaftete Haltung auf. Stilistisch zeigt sich dies in der Verwendung des Präteritums, was für diese Altersstufe typisch ist. Nur durch Unterrichtsimpulse gelingt es, die Schüler von der äußeren auf die innere Handlung, vom Präteritum auf das Präsens zu lenken. Eine entwicklungspsychologisch günstige Brückenfunktion stellt dabei der Innere Monolog als Typus der "Ich-Texte" dar. Die "Herzensfragen", also die Wandlung des Protagonisten Parzival in diesem Entwicklungsroman, können Schüler nur unter Anleitung der Lehrkräfte angehen. Für das Niveau solcher Projekte ist es sicherlich vorteilhaft, wenn die Schüler im Lesetagebuch zunächst gezielte, von der Lehrkraft gestellte Aufgaben lösen, ehe sie sich an selbst gestellte Aufgaben machen. Diese sind dann mehr in der Spur der in der Klasse entwickelten Lesart.

Eine schöne Aktion war der Lokaltermin auf der Staufener Burg, wo ein Film gedreht wurde.

Inhaltlich durchdrangen die Schüler die verschiedenen Schichten des Romans und seines Kontextes. Im Geschichtsunterricht wurde für die historischen Dimensionen der Roman als Quelle benutzt.

Bei Unterrichtsprojekten zeigt sich immer wieder dieselbe pädagogische Tendenz: Je mehr die Schüler selbstständig arbeiten, desto mehr verstärkt sich die schon gegebene Leistungsperformance. Die guten Schüler werden noch besser, die antriebsschwachen stagnieren. So klaffen die eingebrachten Beiträge stark auseinander: Von der geforderten Mindestzahl 1 bis zu einer Höchstzahl von 12! Mir ist bislang noch kein Mittel eingefallen, dieser Disparität zu begegnen. 

Die Klasse 7e und ihre Lehrer haben im Projekt für sich viel gelernt; sie hoffen, mit der vorliegenden CD einer breiteren Öffentlichkeit nützliches Material zum Thema anbieten zu können.

© 2007-2010 Klasse 7e & Michael Seeger, Faust-Gymnasium Staufen, Letzte Aktualisierung 21.03. 2010  mail an organisator