Nr. 1 /1. Jahrgang S. 7

Online-Sonderausgabe Montag, 21. Januar 1636

€ 2,50    

 

Toughe Traumfrau gesucht! 

Heiratswillige Männer suchen Partnerin fürs Leben
und werben um Mutter Courage

Warschau js Der Feldprediger, der "Seelenhirt", ein Mann im mittleren Alter, möchte endlich eine Frau fürs Leben finden.
Mutter Courage entspricht genau seinem Frauenbild. Er ist ein evangelischer Theologe mit kaufmännischem Sinn und ist hilfsbereit den Verwundeten gegenüber. Mit seiner von Gott gegebenen Sprachgewalt kann er predigen, dass einem Hören und Sehen vergeht. Der Feldprediger ist kritisch gegenüber Mutter Courages Haltung zum Krieg, trotzdem verehrt er sie und möchte mit ihr eine engere Beziehung. Er zieht ihr den Wagen und steuert Ratschläge zur Befreiung des Sohnes bei.
Bei all diesen Qualitäten wäre er kein schlechter Mann für Mutter Courage, jedoch ist diese sichtlich desinteressiert und weist ihn zurück.
Der Prediger ist aber auch nicht der einzige Verehrer der Courage.
Denn auch der Koch, Pieter Lamb oder besser der Pfeifenpieter, wirbt um die beliebte Mutter. Pieter hasst das Kochen im Krieg und seinen Vorgesetzen, den Feldhauptmann. Er ist ein solider Mann, der vielen Frauen das Herz bricht, darunter Yvette Portier, und sie alle ins Unglück bringt. Mit ihm müsste man keinen Hunger mehr leiden, da er ein Wirtshaus in Utrecht geerbt hat. Dadurch hat er auch Interesse an seiner ‚Freundin’ Anna Fierling, Mutter Courage, welche er sich gut als Wirtin in seinem Gasthaus vorstellen könnte. Ein großer Mangel dieses Verehrers ist jedoch die Abneigung gegen die Tochter Kattrin, welche er nicht im Wirtshaus dabei haben möchte. Dies ist der hauptsächliche Grund, warum Mutter Courage den Koch ebenfalls ablehnt und mit ihrer Tochter alleine weiterzieht.
Zu beider Leidwesen interessiert sich Courage jedoch überhaupt nicht mehr für eine Liebesbeziehung, sondern sieht den einzigen Nutzen eines Mannes darin, dass er ihr den Wagen ziehen und auch bei anderen körperlichen Arbeiten zur Hand gehen kann.

Aufstieg einer Hure

Übrigens: Feldprediger

Leserbrief

Übrigens: Feldprediger 

Feldprediger (bei den Katholiken auch Feldkaplane genannt) sind dem Militär zugeteilte Geistliche, die unter anderem für die Seelsorge zuständig sind. 
Sie standen häufig unter einem so genannten Feldpropst und waren für eine Brigade oder Division zuständig.


Jugendl. Junggeselle (Mitte 50)sehnt sich nach Frau m. Charakter für gemeinsamen Lebensabend. Bin gläubig u. würde für meine Traumfrau alles tun.
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Aufstieg einer Hure 

von Charlotte Coch

Yvette S., 25, hat mit ihren jungen Jahren schon einen beachtlichen Sprung auf der Karriereleiter gemacht.
Als frischgebackene Witwe des Obristen Starnberg verfügt sie über ein stattliches Jahreseinkommen von ca 100.000 Denaren. Doch Yvette war nicht immer so vom Schicksal begünstigt. Ursprünglich in Flandern geboren, siedelte sie 1624 nach Polen um. Wenn man sie nach den Gründen fragt, ziert sie sich erst ein bisschen, aber dann erzählt sie uns doch von einer Episode aus ihrem Leben.
"Er war ein Soldatenkoch, blond, ein Holländer, aber mager. Er hatte damals schon ne andere aber das wusst ich nich. Sie hat ihn Pfeifenpieter genannt, weil er die Pfeif nich ausm Maul genommen hat, so beiläufig wars bei ihm. Ich hätt ihn verachten sollen, das hab ich auch, bei Tag, aber in der Nacht hab ich ihn doch geliebt und niemand hats verstanden. Dann ist sein Regiment abgezogen, und er mit. Ich bin ihm nachgefahren und hab ihn doch nie mehr gesehn ..."
Bei der Erinnerung an diese tragische Liebe treten der sonst berechnenden Geschäftsfrau auch heute noch die Tränen in die Augen, doch sie versteht es meisterhaft, ihre Rührung zu verbergen. Vielleicht hat diese Enttäuschung sie mit zu der Person gemacht, die sie heute ist. Die Liebe hat für sie keine Bedeutung mehr, zumindest versucht sie erfolgreich, ihre Gefühle zu unterdrücken. Bei ihrer Suche nach dem verschollenen Pfeifenpieter landete sie in Polen und sah sich dort aus Geldmangel dazu gezwungen, ihren Lebensunterhalt als Prostituierte zu verdienen.
In dieser Zeit tobte der Glaubenskrieg in ganz Europa, und die Nachfrage nach hübschen Damen für ein kurzes Vergnügen war groß. Doch Yvette wurde für ihre Dienste nicht immer nur mit Geld belohnt. 
"In meinem Gewerbe ists nichts Ungewöhnliches, dass man auch mal Schläge kriegt. Aber ich brauch ja auch was, wovon ich leben kann.", erzählt sie rückblickend. 
Ihr ansprechendes Äußeres sorgt dafür, dass sie trotz der zahlreichen Konkurrenz immer Erfolg im Geschäft hat, und nach kurzer Zeit sieht sie sich auch ein paar Verehrern mit ehrenhafteren Absichten gegenüber, unter ihnen Oberst Starnberg.
Man mag ihr kaltblütige Berechnung vorwerfen, doch angesichts ihrer Lebensgeschichte kann man ihre Wahl dennoch verstehen. Yvette entschied sich bei der Heirat mit dem angesehenen und wohlhabenden Oberst gegen die Liebe und für ihren Geschäftssinn.
Wenn man sie heute fragt, ob sie mit ihrem Leben zufrieden ist, sagt sie mit einem leicht resignierten Blick:
"Ich hätts von Anfang an wissen sollen, dass die Männer für die Liebe nichts taugen. Die taugen allein zum Geldverdienen, und das wusste mein guter Oberst ganz genau. Er warn guter Mann, Gott hab ihn selig, und ich bereue nicht, dass ich ihn geheiratet hab."

 

 

 

 

 

 


George Grosz
Schönheit, dich will ich preisen! 1919 (Aquarell und Tuschfeder)


Hier ist Platz für die Meinung unserer Leser

Jeder hat ein Recht auf Krieg!
Der Ruf nach Frieden wird immer stärker, doch was versprechen sich die Leute davon? Frieden bedeutet einen Verfall der Gesellschaftsstruktur: Das gemeine Volk wird nachlässig und faul, Disziplin und Ordnung gehen verloren, und man lebt wie die Made im Speck! Frieden verleitet zur Nachlässigkeit. Dagegen ist im Krieg die Bevölkerung gezählt und der Handel geordnet, die jungen Burschen sind beschäftigt, können ihren jugendlichen Schwung ausleben und verfallen nicht in den Schlendrian, der durch das ständige Gefühl von Sicherheit entsteht! Darum stehe ich für Krieg, für einen Staat mit geordneten Verhältnissen!

Feldwebel Friedlieb Stürmer
nk

© 2005-2010 Michael Seeger, Faust-Gymnasium 79219 Staufen, Letzte Aktualisierung 14.05. 2010