Glasfenster im Freiburger Münster

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Synagoge und Ecclesia oder Die Intoleranz des Mittelalters

Die Fenster im Freiburger Münster geben uns neben verschiedenen Szenen aus der Bibel auch Aufschluss über das Leben und die Mentalität der Menschen im Mittelalter. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das letzte Fenster auf der „Männerseite" im hinteren Kirchenschiff.

Man sieht zwei Leute wie bei einem mittelalterlichen Tjost aufeinander zureiten. Die rechte Person hat die Augen verbunden und reitet rückwärts der anderen entgegen. Sie ist aus mehreren Gründen sofort als die Synagoge (griech.: Versammlungsort) zu erkennen: Das Tier, auf dem sie reitet, hat die Hörner eines Bocks - das Zeichen für den jüdischen Sündenbock. Durch ihre nach hinten geknickte Haltung, ihre zerbrochene Fahne, vor allem aber durch die verbundenen Augen als Zeichen der religiösen Blindheit wird die Synagoge charakterisiert, als sei sie völlig blind dafür, dass es längst etwas Neues, Vollkommeneres, Besseres gibt: den christlichen Glauben, der den Messias - Jesus - erkannt hat, und dem das Judentum nun nachsteht.

Für Jesus und die Kirche - auch Ecclesia (griech.: die Herausragende) genannt - steht die Frau auf der linken Seite, die mit Stolz auf die Synagoge zureitet und den Eindruck der Furchtlosigkeit erweckt. Dieses Fenster weist uns leider einmal mehr auf die Intoleranz des christlichen Glaubens im Mittelalter hin. In dieser Zeit, wo die Fenster oft die einzige Bildungsmöglichkeit für das normale analphabetische Volk war, mögen solche Darstellungen wohl oft dazu geführt haben, dass die Leute gegenüber den Juden misstrauisch waren. Durch die Kirche, die zu dieser Zeit unglaubliche Autorität besaß, wurden die Christen sogar so weit gebracht, dass sie sich den Kreuzzügen oder den Pogromen anschlossen. Hier wurde die Basis für die lang anhaltende Tradition des Hasses gegenüber Andersdenkenden geschaffen, die sich noch bis in unser Jahrhundert hinein in den Köpfen der Menschen festsetzte.

Ein weiteres Zeugnis dieses bedauerlichen Verhaltens gegenüber anderer Glaubensgemeinschaften sind zwei Statuen vor dem Hauptportal. Jeweils die vierte Statue, von innen nach außen gezählt, stellt wiederum Synagoge und Ecclesia, in ähnlicher Pose wie auf dem Fenster, dar.

Gestalter dieser Seite: Jonathan Pfaff

© 1999-2016 Michael Seeger, Faust- Gymnasium Staufen, 18. August 2009